Neues Röhrenwerk in Mukran feierlich übergeben

Das neue Röhrenwerk in Mukran


OSTSEE-ZEITUNG.DE

Donnerstag, 30. April 2009  |  Wirtschaft

Volles Rohr für Gas aus Russland

Das Pipeline-Projekt Nord Stream kommt in Fahrt. Ein Jahr vor dem geplanten Baubeginn startete gestern auf Rügen eine Rohrfabrik die Produktion. Hier erhält die Ergasleitung einen Mantel aus Zement. Mukran (OZ) „Tschonk, Tschonk, Tschonk“, wummert es ohrenbetäubend durch die riesige Halle. Wie ein stählerner Derwisch dreht sich die Maschine um ein mächtiges Metallrohr und umwickelt es dabei mit einem Eisengeflecht, das im gleichen Arbeitsgang verschweißt wird. Eine Station weiter spritzt eine andere Anlage automatisch 14 Tonnen Zement auf jedes einzelne Rohr. Arbeiter säubern anschließend mit Bürsten und Putzmitteln die blanken Enden. Nach nur 45 Minuten ist es geschafft: Ein Teilstück für die geplante Ostsee-Pipeline Nord Stream ist fertig. Durch diese zweiadrige Leitung soll ab Ende 2011 russisches Erdgas über Lubmin in Europas Haushalte strömen. Aus 200 000 Einzelröhren wird die Doppel-Pipeline später auf dem Grund der Ostsee zusammengeschweißt. Mehr als die Hälfte davon – 120 000 Stück – erhalten vorher im Industriegebiet des Fährhafens Sassnitz-Mukran auf Rügen einen speziellen Mantel aus Zement. Der dient als Schutz vor Korrosion. Außerdem soll das zusätzliche Gewicht die beiden 1210 Kilometer langen Rohrleitungen stabilisieren. Gestern wurde das Mukraner Rohrummantelungswerk nach vierwöchigem Probebetrieb offiziell eröffnet. Eine zweite Anlage steht im finnischen Kotka. „Rügen ist der wichtigste Logistik-Standort für das Vorhaben“, sagte Alain Lebrige, zuständiger Projektmanager der französischen Firma Eupec, die das Mukraner Werk betreibt und für die gesamte Logistik zuständig ist. 55 Millionen Euro wurden nach seinen Worten an dem Rügener Standort investiert. 150 Mitarbeiter aus der Region wurden eingestellt, zusätzlich arbeiten 50 internationale Fachkräfte im Werk. Eupec gehört zum südkoreanisch-indonesischem Konzern Korindo. Deshalb reiste sogar Koreas Botschafter Choi Jung-Il aus Berlin zur Eröffnung an. Gut zwei dutzend Manager aus Asien ließen sich durch die Halle führen und hielten jeden Produktionschritt mit ihren Fotoapparaten fest.

„Die Pipeline ist sehr gut für Deutschland und für Mecklenburg-Vorpommern“, sagte Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD). Mit dem Rohrummantelungswerk werde MV als Standort der maritimen Wirtschaft gestärkt. Matthias Warnig, Chef der Pipeline-Firma Nord Stream nannte das insgesamt 7,4 Milliarden Euro teure Pipeline-Projekt ein „deutsch-russisches Konjunkturprogramm par excellence“. Investoren sind der russische Staatskonzern Gazprom, BASF und die E.on Ruhrgas AG. Eine Genehmigung für die Pipeline gibt es indes noch nicht. Anfang des Jahres reichte Nord Stream die vollständigen Anträge ein. Laut Warnig müssen fünf Staaten zustimmen – Russland, Deutschland, Schweden, Finnland und Frankreich. Baubeginn soll in einem Jahr sein. Die Rohre werden aus dem Ruhrgebiet und aus Russland geliefert. Nach der Ummantelung lagern die 25-Tonnen-Boliden gestapelt auf Freiflächen rund um den Hafen.

Für Fährhafen-Chef Harm Sievers ist es wie ein Geschenk, dass Sassnitz-Mukran für den Bau der Pipeline eine so wichtige Rolle spielt. „Es gab bereits mehrere Anfragen aus der Industrie, die durch Nord Stream auf uns aufmerksam geworden sind“, sagte er. Das laute „Tschonk, Tschonk, Tschonk“ bleibt aller Voraussicht nach auf Rügen aber nur eine Episode. Ende 2011 sollen alle Rohre fertig sein. Die Anlagen werden dann nicht mehr benötigt. Sievers kann sich vorstellen, dass die Halle danach von Firmen aus der Offshore-Industrie genutzt wird. GERALD KLEINE WÖRDEMANN